Kleine Chronik der „Neubauer“
Als vor 150 Jahren im 7. Bezirk der Wiener Männergesangverein „Sängerlust“ bewilligt wurde, war das der Anfang einer langen Tradition des chorischen Singens in unserem Bezirk. 1875 entstand unter dem Namen „Neubauer Männerchor“ ein zweiter Verein, 1901 vereinigte man sich schließlich zum „Neubauer Männergesangverein“. 1902 erhielt man in einem Erlass der Stadt Wien die Genehmigung das Wappen des Bezirks Schottenfeld-Neubau führen zu dürfen. Im 19. und bis in die letzten zwei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts waren es Sänger, die die Tradition des klassischen Männerchores hochhielten. Dabei gab es Mitgliederzahlen, von denen die Männerchöre heute nur träumen können. Wo findet man noch 23 erste Tenöre, 30 zweite Tenöre und einen Stand von 101 aktiven Sängern wie 1910 bei den Neubauern?
Trotzdem war es zum Ende der Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts schwierig geworden mit den Sängern interessante musikalische Aufgaben zu übernehmen und Nachwuchs wollte sich nicht in ausreichendem Maße einstellen. Damals hatte Reinhard Mauerhofer die Leitung des Chores übernommen und begann für einige Konzerte Damen einzuladen um ein Programm für gemischten Chor anbieten zu können. Ab 1.1.1983 war es dann so weit und aus dem „Neubauer Männergesangverein“ wurde der „Neubauer Gesangverein“ mit 31 Sängern und 20 Sängerinnen, zumeist Frauen und Töchter der Neubauer Sänger. Die Umbenennung auf „Chorvereinigung Wien-Neubau“ erfolgte 1991, 2014 wurde im Rahmen eines Relaunch ein neues Logo entwickelt und der Name auf „Chor Wien Neubau“ gestrafft.
Auch mit neuem Repertoire war den Neubauern eines geblieben: die gute und freundschaftliche Atmosphäre ist auch im gemischten Chor, ein wesentlicher Erfolgsfaktor.
Nachdem Reinhard Mauerhofer 1988 den Chor abgegeben hatte, kam es in der Folgezeit zur Zusammenarbeit mit verschiedenen Chorleitern und dadurch leider auch zu wenig Kontinuität bei der Entwicklung des Chores.
1997 hat Walter Zeh, ein langjähriges Chormitglied mit professioneller Ausbildung, den Chor übernommen. Er ist das Chormitglied mit der längsten Familientradition bei den Neubauern, waren doch bereits sein Vater Josef Zeh, aber auch sein Großvater und sein Großonkel (Mitgliedschaft seit 1889, bzw. 1890) geschätzte Sänger im Männerchor. Nun wurde Aufbauarbeit geleistet und ein interessantes und vielfältiges Repertoire erarbeitet.
Wenn man neben vielfältiger a-cappella-Literatur auch interessante Orchesterwerke zur Aufführung bringen und dabei nicht nur Highlights wie „Die Schöpfung“ von Haydn, das Mozart „Requiem“, „Carmina Burana“, die „Neunte Beethoven“, Verdi „Requiem“ und die „Auferstehungssymphonie“ von Mahler, in schönem Rahmen singen kann, sondern auch selten gehörte Werke wie „Das Lied von der Glocke“ von Andreas Rhomberg oder die Schauspielmusik „L’Arlesienne“ von Bizet oder „Die Geburt Christi“ von Herzogenberg einstudiert, ist für Abwechslung und beglückende Chorerlebnisse bestens gesorgt. Dadurch haben sich auch viele neue Sängerinnen und Sänger gefunden, die gerne im „Chor Wien Neubau“ singen.
In all diesen Jahren haben die Neubauer Sänger immer verstanden neben musikalischen Aktivitäten und Konzerten auch mit Geselligkeit, Liedertafeln, familiären Feiern, Ausflügen und Reisen, die Verbindung zwischen den Sängern zu erhalten. Der Striezeldorfer Kirtag, das Gschnasfest der Neubauer (zuerst Sängerlust-Ball, später Bauernball genannt), sorgte ab 1887, über fast hundert Jahre, für ausverkaufte Säle im lokalen Hotel Wimberger. Legendär wurden die mehrfachen Reisen nach Dortmund, nach Asiago und die Sängerfahrten zu diversen österreichischen, gastgebenden Chören. Manche Reiseziele haben eine sehr lange Tradition, ist der „Neubauer Männergesangverein“ doch bereits 1903 zur ersten Reise nach Nürnberg aufgebrochen, der „Chor Wien Neubau“ war 2009 wieder dort eingeladen. Zahlreiche Reisen führten den Chor nicht nur durch Europa, sondern seit 2003 auch nach Übersee. Wenn in Mexiko City im Audiorama des Schlosses Chapultepec der Chor von den Zuschauern gefeiert wurde oder man in Australien vor dem Uluru bei Sonnenuntergang das „Locus iste“ von Bruckner singt, so sind das für jeden Choristen prägende Erlebnisse, die man ein Leben lang nicht vergisst. Besondere Highlights waren auch die „Historischen Serenaden“ im Burghof von Kreuzenstein und die Zusammenarbeit mit dem Volkstheater Wien.
Auch wenn die Corona Pandemie die Konzerte und Feste zum 150. Geburtstag im Jahr 2020 zunächst verhindert hat, der neue künstlerische Leiter Martin Guthauer und die organisatorische Leitung des Vereines werden diese Feierlichkeiten nachholen und den Chor in eine erfolgreiche, musikalische Zukunft führen.
Anneliese Zeh, 2021
(Obfrau Chor Wien Neubau 1993-2009 und 2013-2021)